Weibliche Altersarmut ist kein bloßes Schlagwort, sondern eine Realität, die viele Frauen in Deutschland betrifft. Rechtsanwalt Niklas Clamann aus Münster klärt auf, inwiefern der Versorgungsausgleich im Rahmen einer Scheidung diesem Problem entgegenwirken kann und welche weiteren Maßnahmen für eine gerechtere Zukunft für Frauen im Alter erforderlich sind. Clamann ist als Anwalt im Familienrecht auf die einvernehmliche Scheidung spezialisiert.
Wie entsteht weibliche Altersarmut?
Geschlechterspezifische Unterschiede im Arbeitsleben spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Versorgungsausgleichs und haben eine direkte Auswirkung auf die finanzielle Sicherheit von Frauen im Alter. Trotz zunehmender Bemühungen zur Gleichstellung der Geschlechter waren und sind Frauen mit Ungleichheiten konfrontiert, die sich in niedrigem Einkommen, Teilzeitbeschäftigungen und Unterbrechungen in der Erwerbsarbeit zeigen. Diese Unterschiede im Erwerbsleben wirken sich unmittelbar auf die Rentenansprüche von Frauen aus.
Gender Pay Gap
Der Gender Pay Gap, also die geschlechterspezifische Lohnlücke, ist ein zentrales Problem im Arbeitsleben. So verdienten Frauen im Jahr 2023 durchschnittlich 18% weniger pro Stunde als Männer. Teilweise lässt sich das darauf zurückführen, dass sie in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, die schlechter bezahlt werden. Aber auch bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation verdienten sie 2023 durchschnittlich 6% weniger als ihre männlichen Kollegen (Quelle: Destatis).
Teilzeitbeschäftigung und unbezahlte Pflegearbeit
Im Rahmen der klassischen Rollenverteilung in der Familie sind Frauen häufig mit der Kindererziehung und der Pflege älterer Angehöriger betraut als ihre Partner. Um einer doppelten Belastung durch Arbeit in Vollzeit und unbezahlter Pflegearbeit in der Familie zu entgehen, entscheiden sich Frauen oft dafür, „nur“ eine Teilzeitbeschäftigung in Anspruch oder eine berufliche Auszeit zu nehmen. Einerseits wird diese Pflegearbeit nicht finanziell honoriert. Andererseits führen solche beruflichen Unterbrechungen zu verpassten Aufstiegschancen und wirken sich negativ auf die Karriereentwicklung aus.
Diese Lohnungleichheiten führen dazu, dass Frauen im Laufe ihres Arbeitslebens weniger verdienen und somit auch niedrigere Rentenansprüche erwerben.
Versorgungsausgleich zur Vermeidung von Altersarmut
Der Versorgungsausgleich im deutschen Familienrecht kann als Instrument betrachtet werden, das dazu beiträgt, Altersarmut bei Frauen zu verhindern oder zu mildern.
Was ist der Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Familienrechts. Er wird Rahmen einer Scheidung oder bei der Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft durchgeführt. Das Ziel des Versorgungsausgleichs ist es, die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften gerecht aufzuteilen, um eine angemessene Versorgung beider Eheleute im Alter sicherzustellen und die finanziellen Ungleichheiten auszubessern, die während der Ehe entstanden sind.
Wie wird der Versorgungsausgleich durchgeführt?
Der Versorgungsaugleich wird in der Regel automatisch vom Familiengericht durchgeführt. Nur bei einer kurzen Ehedauer von unter drei Jahren ist ein Antrag erforderlich. Allerdings ist es auch möglich, den Versorgungsausgleich im Ehevertrag auszuschließen und einander anderweitig gegen Altersarmut abzusichern, beispielsweise durch die Übertragung von Immobilien oder Wertpapieren.
Für den Versorgungsausgleich müssen die Eheleute in Fragebögen alle relevanten Informationen über ihre Rentenanwartschaften offenlegen. Hierzu gehören etwa die Ansprüche aus der gesetzlichen, betrieblichen oder privaten Rentenversicherung und aus Lebensversicherungen, wenn diese am Ende durch eine Rentenzahlung abgewickelt werden. Das Gericht fordert dann bei den jeweiligen Versorgungsträgern Auskünfte über die Höhe der bestehenden Rentenanwartschaften an.
Anschließend werden diese Ansprüche jeweils hälftig geteilt und auf den/die andere:n Ehepartner:in übertragen. Wichtig ist, dass diese Ansprüche nicht sofort ausgeschüttet, sondern auf einen Versorgungsträger übertragen werden. Das bedeutet, dass sie erst später im Rahmen der Alters- oder Invaliditätsrente ausgezahlt werden.
Welchen Einfluss hat der Versorgungsausgleich?
Durch den Versorgungsausgleich werden die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften als gemeinschaftliche Leistung des Ehepaares während ihrer Beziehung anerkannt. Er folgt dem Verständnis, dass beide Eheleute einen Beitrag zum gemeinsamen Haushalt und zur familiären Fürsorge geleistet haben. Der Versorgungsausgleich ermöglicht daher, sowohl die bezahlte Lohnarbeit als auch die unbezahlte Pflegearbeit in die spätere Rente einzubeziehen. Auf diese Weise wird die wertvolle Arbeit, die Frauen im Rahmen der Familien- und Hausarbeit leisten und ihre Aufopferungsbereitschaft zulasten ihrer beruflichen Karriere finanziell gewürdigt.
Darüber hinaus kann der Versorgungsausgleich einen Anreiz schaffen, die Aufteilung von Lohn- und Pflegearbeit in der Familie ausgeglichener zu gestalten und traditionelle Rollenbilder aufzubrechen. Indem die finanziellen Auswirkungen der Pflegearbeit in die Rentenberechnung einbezogen werden, können Eheleute dazu ermutigt werden, sich aktiv an der Betreuung und Pflege zu beteiligen und die Verantwortung für Familienaufgaben gleichmäßiger zu verteilen.
Weitere Maßnahmen gegen weibliche Altersarmut
Zwar ist der Versorgungsausgleich ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von Altersarmut, doch trägt eine ganzheitliche Herangehensweise dazu bei, die Rentenansprüche von Frauen langfristig zu verbessern und ihre finanzielle Sicherheit im Alter zu gewährleisten.
Insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt eine entscheidende Rolle für die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen im Alter. Hierzu gehören die Förderung flexibler Arbeitsmodelle, die flächendeckende Bereitstelle von Einrichtungen zur Kinderbetreuung und die Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen. Hierdurch können Frauen besser in der Lage sein, ihre Lohnarbeit kontinuierlich fortzuführen und mehr Rentenanwartschaften zu sammeln.
Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Förderung von Altersvorsorge und finanzieller Bildung. Frauen sollten ermutigt werden, sich frühzeitig mit ihrer privaten Altersvorsorge auseinanderzusetzen und über ihre finanziellen Möglichkeiten aufgeklärt werden. Nur, wer umfassend informiert ist, ist in der Lage, fundierte Entscheidungen zur Altersvorsorge zu treffen.
Bild: KI Generator